23. Januar 2016

Berühmte Gäste auf Norderney

Vortrag von Frau Sibylle Weitkamp


Wie die vorausgegangenen Vorträge, die Frau Weitkamp, Bibliothekarin im Ruhestand, bisher vor der MSE gehalten hatte, etwa der über die erste promovierte Ärztin in Deutschland Dorothea Christiana Erxleben, oder der über Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar, der Wegbereiterin der deutschen Klassik, beide Vorträge geprägt von ihrem tiefen Engagement im „Deutschen Verband Frau und Kultur e.V.“, war auch der heutige ein großer Erfolg. Gleich zu Beginn übergab sie jedem einzelnen der Zuhörer einige farbige Kopien, die von ihr für uns eigens zusammengestellte Bilder des Nordseebades und einiger Gäste der gegenwärtig etwa sechstausend Einwohner zählenden Insel zeigten. Auf dem ersten Blatt prangte ein häufiger Inselbesucher unserer Tage: der jetzige niedersächsische Ministerpräsident Weil.

 

„Am besten schmeckt mir Torte.“ Dies ist ein Zitat aus dem Munde unseres Vereinsmitglieds Detlev Müller, der heute Geburtstag hat. Um uns alle an einem solchen Genuss teilhaben zu lassen, versüßte er unser heutiges Gruppentreffen und den Vortrag mit gleich drei von ihm für uns spendierten vorzüglichen Torten.


Im Bereich der Emsmündung, also östlich von Borkum, lag ursprünglich die Insel Buise, die anders als die heutigen Ostfriesischen Inseln keine Sand-, sondern vornehmlich eine Marschland-Insel war. Nach vielen Sturmschäden zerbrach sie in der Marcellusflut von 1362 in zwei Teile. Während die westliche der beiden Restinseln schon bald vollständig den Nordseewellen anheimfiel, besteht die östliche bis in die Gegenwart fort. Für Jahrzehnte „Österende“ genannt, erhielt sie dann, da in geringem Abstand vom ostfriesischen Norderland gelegen, die Bezeichnung „Norder neye (=neue) oog“, ihren mit geringer Wandlung noch heute gebräuchlichen Namen: „Norderney“.


Trotz Quellenmangels war die Inselwestspitze vermutlich bereits im Spätmittelalter von wenigen Menschen bewohnt, die vornehmlich von Fischfang, daneben von Strandgutbergung lebten. Ackerbau war ja auf Inselsand nicht möglich, auch Viehhaltung kaum.


Wohl ab 1607 stand Norderney ein Inselvogt vor, eingesetzt von den Cirksena, den ostfriesischen Landesherren. Nach deren Aussterben 1744 übernahm Preußen die Regentschaft. In Napoleonischer Zeit war Ostfriesland 1806 bis 1813 von der französischen Besatzungsmacht okkupiert.


Schon vor den von der französischen Revolution ausgelösten Umbrüchen in ganz Europa, also bereits im 18. Jh. hatten Bewohner von Städten der britischen Insel, wie Frau Weitkamp ausführte, vornehmlich in der wärmeren Jahreszeit Erholung an englischen Küsten gesucht.


Stützung fand dies durch Schriften des 1687 geborenen Arztes Richard Russell, der, ausgehend von heilsamer Wirkung von Meerwasser, Algen, Sand und Sonne, die Thalasso- oder Meertherapie entwickelte und daher seine Praxis aus Lewes in Sussex ins nahe Brighton am Ärmelkanal verlegte.


Russels Intentionen aufgreifend, erfolgte 1793 im mecklenburgischen Heiligendamm an der Ostsee, heute Stadtteil von Bad Doberan, die Gründung des ersten Meeresheilbads in Deutschland.


Auf energisches Betreiben der ostfriesischen Stände kam es am 1 Mai 1800 in Norderney zur offiziellen Eröffnung der „ersten Königlich-Preußischen Seebadeanstalt an der deutschen Nordseeküste“ (Zitat aus Internet). Der Badebetrieb kam 1806 bis 1813 zum Erliegen und wurde 1815, nachdem Ostfriesland auf dem Wiener Kongress dem ebenfalls dort ins Leben gerufenen Königreich Hannover, zugesprochen worden war, sofort wiedereröffnet.


In den folgenden Jahren der Zugehörigkeit zu Hannover bis zum Ende des Königreichs 1866 erfuhr die Insel mancherlei Förderung: so wurde hier 1820 eine Spielbank errichtet; so machte der zweite (und zugleich letzte) König Georg V. Norderney 1851 für jährlich mehrere Monate zur Sommerresidenz des Königshauses und zog zahlreiches Gefolge auf die Insel.


Die Sommer 1825 bis 1827 verbrachte der Dichter Heinrich Heine teilweise auf Norderney und schuf hier einige Gedichte. 1846 begegnete hier der damalige Kronprinz Georg dem Komponisten Robert Schumann und seiner Ehefrau Clara, geb. Wieck, der gefeierten Pianistin.


Christian Moßig

   
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