17. November 2012

 

Die Feier sollte 11 Uhr vormittags beginnen. Besonders frühes Aufstehen war also nicht erforderlich. Um einen geeigneten Rollstuhlplatz mit gutem Blick auf die Bühne zu ergattern, habe ich mich aber noch vor 10.30 Uhr auf die weite Aufzugsfahrt gemacht: vom zweiten Stock ins Erdgeschoss. Hier wurde ich ebenso wie alle anderen Vereinsmitglieder empfangen und mit einem “Orden“ versehen: uns wurde ein Namensschild mit dem Hinweis „Mitglied“ angesteckt.


Sofort danach setzte der Besucherstrom ein und brachte städtisches Leben ins Haus, mitsamt der zugehörigen Verkehrsprobleme. Es gab auf dem Flur des Erdgeschosses einen schier unentwirrbaren Verkehrsstau, und ansatzweise zeigte sich das daraus resultierende menschliche Stressverhalten. Bei Manchem kam es offensichtlich zu Ärger, und einmal kam es zu lauten Worten gegen mich. Das hat mich aber nicht beeindruckt. Ich war im Gegenteil höchst erfreut, Zeuge menschlichen Normalverhaltens zu sein. Aber ganz so normal war es wohl doch nicht. Den beliebten deutschen Autofahrergruß des ausgestreckten rechten Zeigefingers an Stirn bzw. Schläfe habe ich nicht gesehen.


Nachdem der Verkehrsstau doch aufgelöst war, habe ich nach langem Rangieren unmittelbar neben der dritten der aufgestellten Stuhlreihen einen sehr schönen Platz gefunden. Den Personen, die sich auf den Stühlen dieser Reihe niederlassen wollten, habe ich schwieriges Turnen über meine Füße und über die Fußstützen meines Rollstuhls zugemutet. Trotzdem hat sich eine nette Dame neben mich gesetzt, mit der es zu einem erfreulichen Gespräch kam. Ihr Ehemann befinde sich zwar im Krankenhaus, die entscheidende medizinische Maßnahme sei bereits geglückt. Sein Zimmer liege direkt neben der Geburtsabteilung, und so sei er angesteckt von der heiteren Stimmung um die neuen Erdenbürger. Nun sei seine baldige Heimkehr zu erwarten: genesen und voller Optimismus.


Punkt elf Uhr begann der große Tag der MSE: mit der Arabeske von Robert Schumann, gespielt von der Pianistin Dasul Jung. Danach erfolgte die offizielle Eröffnung durch unseren Vorsitzenden Claus Mohr, und zwar gleich mit Nennung der sich anschließenden Redner.


Unser Schirmherr Professor Goehrmann sprach nicht nur die Personen des Vorstands, auch zahlreiche Vereinsmitglieder persönlich an. Die MSE, so wünschte er uns, möge ihren Erfolgsweg in Menschlicher, in Selbstbewusster und in Engagierter Weise fortsetzen.


Pastor Fitschen gratulierte für die Pestalozzi-Gesellschaft zu unserem Dreißigsten in der Hoffnung, mit der fortbestehenden MSE in zehn Jahren das Vierzigjährige feiern zu können.


Bezirksbürgermeister Pollähne kündigte an, der Bezirksrat wolle dem Verein ein Jubiläumsgeschenk zuwenden, und lud uns ein zur Nennung eines Wunsches.


Die Grüße Oberbürgermeister Weils überbrachte in sehr persönlicher Weise Frau Hammann, die städtische Beauftragte für Menschen mit Behinderung; sie erzählte von ihrem eigenen Weg in den Rollstuhl, nämlich über einen Unfall, und dankte für Unterstützung, die sie von einzelnen Mitgliedern der MSE erfahren habe.


Herr Herrmann, treuer Rotkreuz-Helfer und unser Photograph von Beginn an, machte dem Verein überraschend ein Geburtstagsgeschenk: eine Photokollage der dreißig Jahre Vereinsgeschichte.


Nun Dasul Jung ein zweites Mal: ein rasant gespieltes Stück Chopins löste Begeisterung aus.


Zu Vera Schumacher, Stefanie Amme und Herrn Stedler, versammelt auf dem für das heutige Fest aufgestellten Podium und zu Claus Mohr neben dem Podium trat nun Herr Kunze. Als Moderator ermunterte er sie, uns ihr Kennenlernen der MSE, ihren Eintritt, ihre Erinnerungen, Erlebnisse und Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe, im Verein zu schildern. Aufschlussreiches berichtete Herr Stedler, der Frau Richter schon vor der Vereinsgründung unterstützt hatte, über deren Ziele – Finden eines Wegs, erfolgreich gegen die rätselhafte MS anzukämpfen - und über die Errichtung des Servicehauses gegen alle Widerstände – als Rahmen für ein selbstbestimmtes Leben.


Das Fest klang aus in einem mit allen Mitteln, dem tiefsten Hausfrauenwissen geführten Wettstreit zwischen den beiden uns betreuenden Inner Wheel Clubs und zwischen allen beteiligten Damen. Ziel war offensichtlich, uns die delikatesten Hochgenüsse in ganz kleinen Portionen anzubieten, so dass uns das Vereinsjubiläum durch Genuss von möglichst all diesen Köstlichkeiten unvergesslich werde.


Christian Moßig

   
© MSE Hannover