14. September 2016 „MenschenWelten“

Niedersächsisches Landesmuseum

Von den Neandertalern bis zu den Römern in Niedersachsen

 

 

Am 14.9.2016 besuchte die Gruppe die neue Dauerausstellung des Landesmuseums zur Evolution des Menschen, der Archäologie in Niedersachsen und Sammlung der Ethnologie unter dem Titel „MenschenWelten“.

 

Der Rundgang begann mit einem kurzen Einblick in die letzte Phase der Evolution des Menschen. Im Nahen Osten ist es in der Zeit von 100 000 bis 50 000 Jahren zu einer Begegnung zwischen Neandertaler und Jetztmenschen gekommen, die sich in unserem Genmaterial nachweisen lässt. Zwischen ein bis 4 Prozent unserer Gene sind mit denen des Neandertalers identisch. Er zeichnete sich durch seine hohe „sportliche“ Leistungsfähigkeit aus – die Gelenke sind für Sprünge besser geeignet als unsere, er war klein (ca. 1,60 m) und kompakt im Körperbau. Verletzungen an den Knochen zeigen Ähnlichkeiten mit denen heutiger Rodeo Reiter, er muss mit hohem körperlichem Einsatz gekämpft haben. Sein Gesicht ist breiter und mit der fliehenden Stirn, den Überaugenwülsten von dem heutiger Menschen unterschieden. Sein Gehirnvolumen überschreitet das heutiger Menschen, wenn die gleichen Bereiche des Hirns für bestimmte Fähigkeiten zuständig waren, konnte er besser riechen und hören als wir, dafür war das Zentrum für Phantasie und Ideen etwas weniger gut ausgestattet.

 

Im ersten Bereich der Archäologie konnte man nun sehen, was der Neandertaler in Niedersachsen hinterlassen hat. Sein Hauptwerkzeug war lange Zeit der Faustkeil – das Schweizer Armeemesser der Steinzeit. Mit ihm konnte man bohren, schaben, schneiden, hacken – also fast alle Tätigkeiten ausüben, die man als Jäger nach der Erlegung der Beute benötigte, um sie als Lieferant von Fellen, Sehnen, Fleisch und Knochen für Geräte zu nutzen. In der Ausstellung galt es den „Abfallplatz“ Jagdlagers Salzgitter-Lebenstedt mit den Knochenresten vom Mammut, Nashorn und Rentieren zu studieren. Ein Jagdgeschehen wird am Fundplatz in Lehringen bei Verden nachvollziehbar. Die Stoßlanze aus Eibenholz wurde im Zusammenhang mit den Knochenresten eines Waldelefanten gefunden. Diese beiden Fundplätze zeigen auch die Anpassungsfähigkeit des Neandertalers der sowohl in der Kälte – Mammut, Wollnashorn und Rentier – als auch in der Wärme – Waldelefanten lebten hier im Mittelmeerklima – in Niedersachsen anzutreffen ist.

 

Ein weiterer Höhepunkt der jägerischen Kulturen in Niedersachsen ist mit dem Bernsteinelch von Weitsche zu sehen. Dieses Bernsteinobjekt wurde am Ende der Altsteinzeit vom homo sapiens in der Nähe der Elbe geschaffen. Der Bernstein war von den Eiszeiten in die Gegend von Weitsche transportiert worden, die Jäger hatten an diesem Fundplatz eine regelrechte Werkstatt zur Bernsteinverarbeitung. Der Elch gehört zu den wenigen durch den Fundzusammenhang datierten Bernsteintieren Nordeuropas. Im Ostseeraum fanden sich immer wieder Bären, Elche oder Pferdefiguren aus Bernstein – bisher aber kaum aus geschlossenen datierten Funden, sondern immer als Einzelfund. Die Elchkuh von Weitsche ist das älteste Kunstwerk dieser Art. Der Elch war zu der Zeit der Wiederbewaldung nach der letzten Eiszeit das größte und daher attraktivste Jagdtier für die Jäger.

 

 

 

Ein weiterer Schwerpunkt der Führung war dann der Kontakt zwischen Germanen und Römern in Niedersachsen. In der Zeit um Christi Geburt durchziehen erstmals römische Truppen die Flusstäler in Niedersachsen. Ziel war es das römische Reich bis an die Elbe auszudehnen. In Hedemünden ist ein Lager aus dieser Frühphase erforscht, die Wege der Römer durch das Leinetal in den Norden belegt. Bei Osnabrück kam es dann zu einer der Auseinandersetzungen im Zuge der Varusschlacht, die zu einer vernichtenden Niederlage der Römer führte. Doch der Kontakt zum römischen Reich brach die nächsten 400 Jahre nie ab – es wurden in großen Mengen römische Waren in das freie Germanien importiert – belegt durch gut ausgestattete Gräber der Germanen. Da die Brandbestattung die vorherrschende Bestattungsform war, die Beigaben mit auf den Scheiterhaufen gegeben wurden, lassen sich leider oft nur verschmolzene Reste auffinden. Eine Ausnahme sind die wenigen Körperbestattungen, die uns ein repräsentativeres Bild von der Fülle der Objekte geben.

 

In diese Zeit fallen auch die Moormumien. Der in Hannover bekannteste ist sicherlich der „Rote Franz“. Er ist vor gut 100 Jahren beim Torfstechen im Emsland gefunden und dann in das Landesmuseum gebracht worden. Bei einer modernen Untersuchung durch Gerichtsmediziner ließ sich feststellen, dass er zwischen 30 und 35 Jahre alt geworden ist, sein Leben als Reiter verbracht hat, sicherlich einmal übel vom Pferd gefallen ist, da er sich das Schlüsselbein und einen Arm gebrochen hatte. Er ist keines natürlichen Todes gestorben – im wurde die Kehle durchgeschnitten. Kurz vor seinem Tod hat er noch Äpfel gegessen.  Warum er getötet wurde, weshalb er im Moor niedergelegt wurde, kann unterschiedlich interpretiert werden. Er war entweder ein Opfer für die Götter oder ein Straftäter oder ein Opfer einer Gewalttat.

 

Ein letzter Blick in das Vitrinenband der Ausstellung zeigte einen Schatzfund mit einer goldenen Zwiebelknopffibel. Diese Fibeln durften im römischen Reich nur von den oberen Heerführern – magister militum oder magister equitum – getragen werden. Gegen Ende des römischen Reiches gelang es vielen Germanen aus dem freien Germanien bis in die höchsten Ränge vorzustoßen, ja sich sogar von ihren Truppen zum Kaiser ausrufen zu lassen. Möglicherweise hatte also der Herr bei Lengerich, der diese Fibel geopfert hatte, eine erfolgreiche Karriere im römischen Reich hinter sich.

Regine Tuitjer

   
© MSE Hannover